Ein leises Rauschen, ein zartes Wispern wie vom Geäst eines Baumes, nur mit Blättern aus Gold. In flimmerndem Glanz bewegen sich zahllose goldene Blätter tänzelnd im Luftstrom, heben und senken sich in geschmeidiger Bewegung, sind von einem geheimnisvollen Rascheln erfasst. Ein Goldregen, der mich umhüllt, mich eintauchen lässt in einen Raum, der jedes irdischen Zeitgefühls entbehrt. Die vollständig in Gold gekleidete Kammer ist von einem warmen Schimmer durchzogen, einem Leuchten, das von innen heraus zu kommen scheint. Andächtig verharre ich und fühle mich seltsam angezogen von dem mystischen Schein, der magisch-alchemistischen Atmosphäre.

Mit diesem Gefühl muss auch James Lee Byars (1932–1997) die Installation 1994 betreten haben, um in der Brüsseler Galerie Marie-Puck-Broodthaers die Performance „The Death of James Lee Byars“ durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt bereits unheilbar an Krebs erkrankt, inszenierte Byars mit diesem wohl emotionalsten Stück seinen eigenen Tod. Zunächst platzierte sich der mit einem goldenen Anzug, Augenbinde und Zylinder bekleidete Künstler mittig in der Kammer, blieb dort einige Momente aufgebahrt liegen und verließ schließlich die Galerie. Folgend legte die Galeristin an der Stelle, die soeben noch vom Körper des Künstlers bedeckt war, fünf Kristalle nieder. Im Nachgang dieser Performance zog sich Byars aus der Kunstwelt zurück und überließ sein Vermächtnis der Nachwelt.

Byars greift mit dem in Gold gekleideten Raum die Tradition des Goldgrundes in der Kunstgeschichte auf und überträgt diese auf seine raumgreifende Installation. Der Goldgrund ersetzte in der frühchristlichen und byzantinischen Kunst den tiefenräumlichen Hintergrund einer figürlichen Darstellung und entband die Szene somit jeglicher zeitlichen und räumlichen Verortung. Byars bedient sich dieser Darstellungsform in seinem zutiefst persönlichen Werk, um sich mit dem Tod und der entsprechenden Abwesenheit von Leben auseinanderzusetzen. Dem Tod wird hier als vollkommenem Zustand in Vollendung des Lebens ein Denkmal gesetzt, das zu stiller Kontemplation einlädt. Die sakral anmutende Transzendenz des Raumes führt uns auf unsere eigene Sterblichkeit zurück, vermittelt ein Gefühl von Unendlichkeit und lässt uns in eine immaterielle Sphäre jenseits der Grenzen menschlicher Existenz eintreten.
Petra 17. August 2020
Vielen Dank für diesen fantastischen Beitrag! Es hat mir sehr gut gefallen, und die Bilder sind einfach wunderbar.
Julia Stellmann 17. August 2020 — Autor der Seiten
Vielen Dank! Das freut mich sehr!